100 Jahre die Wallberger

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100 Jahre Die Wallberger
Die Vorbereitungen für unser großes Jubiläum sind nach arbeitsreichen Wochen abgeschlossen. Die Mitglieder des Festausschusses haben alles versucht, um ihr bestmöglichstes zu leisten.. Sie würden sich freuen, wenn alle recht aktiv am Festgeschehen teilnehmen, damit unser "100 jähriges" als echter Höhepunkt in die Vereinsgeschichte eingeht.

Gerade noch rechtzeitig zum Beginn der Feierlichkeiten ist die von Hans Sollacher geschrieben und gestaltete Festschrift der Wallberger erschienen. Ein herzliches Dankeschön auch an dieser Stelle.

 


Einladung und Festprogramm

Donnerstag den 7. September 1989
Nur wenige Plätze im großen Festzelt an der Aribostraße waren noch zu haben, als Bürgermeister Konrad Niedermaier in seiner Eigenschaft als Schirmherr das erste Faßl beim "Wallberger Jubiläum" anzapfte. Wallberger Vorstand Sepp Stadler freute sich über den großen Zulauf und hoffte daß es an den anderen Tagen auch so ist.

 

Samstag 9. September Großer Festabend
100 Jahre und ein prima Wetter, die Festveranstaltung anläßlich der 100. Wiederkehr der Gründung der "Wallberger" nahmen einen reibungslosen und harmonischen Verlauf.

"Ich bin überwältigt von dem großen Besucherstrom" begrüßte Vorstand Sepp Stadler die Gäste - Einheimische und Kurgäste, viel Prominenz und eine lange Reihe von Ehrengästen. Dabei waren sämtliche Bürgermeister des Tegernseer Tales und der Partnergemeinde Kastelruth, die benachbarten Trachtenvereine aus Kreuth und Bad Wiessee und Gmund. Ebenso alle Rottacher Ortsvereine und vor allem die "Wallberger aus Wien" und die "Vitruven" aus München, die schon seit der Gründerzeit eine enge und freundschaftliche Beziehung zu einander pflegen.

Was Brauchtumspflege ist und wie verwachsen die einheimische Bevölkerung mit dieser ist, zeigte sich an diesem Abend. Die zahlenmäßig starken Kinder-, Jugend- und Aktivgruppen des Vereins, die Rottacher Sängerinnen, die eigenen Goaßlschnalzer, die Alphornbläser und Musikanten lieferten den Beweis dafür.

1. Bürgermeister und Schirmherr Konrad Niedermaier sagte in seiner Begrüßungsansprache, ihm sei bewußt wie wichtig das Vereinsleben ist. Es prägt nicht nur den Ort in seiner Gestaltung, sondern auch die Menschen die in dem Ort wohnen. Gerade in diesem Punkt hätten sich die Wallberger große Verdienste erworben. Als Zeichen des Dankes überreichte er Sepp Stadler einen Teller mit dem eingravierten Gemeindewappen.

Anschließend kamen sämtlich anwesende Vereine mit ihren Gastgeschenken, voran Walter Gohlke vom Schiclub der im Namen aller Ortsvereine eine Ehrenscheibe übergab, das sämtliche Vereinszeichen, die Egerner Kirche und die Wallberger Hütte zeigt. Bei jedem Verein bedankte sich der 1. Vorstand recht herzlich, auch für zahlreiches Erscheinen.

Es mußten sogar Gäste wieder gehen, so gut besucht war der Festabend.


Sonntag 10. September Festgottesdienst

Ein Jubiläumswetter zeigte der Himmel als der Spielmannszug Rottach-Kreuth um 8 Uhr den Weckruf brachte und dann vom Rathaus zum Festzelt zog.

Ab 9 Uhr war dann der Empfang der beteiligten Vereine und dann Aufstellung zum Kirchenzug. Bis zum Abmarsch wurde der 1. Vorstand und seine Helfer nochmals hart gefordert, verschiedene Teilnehmer waren noch nicht auf ihrem Platz oder noch gar nicht da. Aber es wurde dann noch geschafft, der farbenprächtige Festzug setzte sich von der Aribostraße in Bewegung, über die Seestraße zum Anwesen Maier-Kirschner wo Pfarrer Alfons Siegl vor etwa 2000 Zuhörern den Festgottesdienst abhielt.

 

 

Auch er machte das Miteinander zum beherrschenden Thema seiner Predigt. Er gratulierte dem Festverein und wünschte ihm noch weiterhin viel Erfolg. Sepp Stadler hielt noch eine kurze Dankesrede und kündigte dann als Abschluß die Bayernhymne an. Zu der inzwischen erst die Noten vom 2. Vorstand besorgt wurden, da sich der 1. Vorstand kurzfristig dafür entschieden hat und die Musiker darauf nicht vorbereitet waren.

 


Dann zog der kilometerlange Zug durch den Ort, die Jüngsten in der Kurzen, im Spenzer und Boinkittl, dann die Dirndl im seidenen Mieder und eine unglaubliche Zahl von Schalkfrauen, die die bewundernden Blicke der Gäste auf sich zogen. Dazwischen die Spielmannszüge, die Trachtenkapellen, die Egerländer, die Studenten der Vitruvia, die Abordnungen der Vereine mit ihren Fahnen, die "Wiener Wallberger", die Tegernseer Gebirgsschützenkompanie und die malerischen Trachten der Südtiroler aus Kastelruth-Pufels mit den Goaßlschnalzer von der Seiseralm. Im Festzug vertreten auch Landrat Norbert Kerkel, sein Vorgänger Staatssekretär Wolfgang Gröbl. Die Bürgermeister aus dem Tal und die Rottacher Gemeinderäte.

 

 

Im Festzelt war dann Ausklang mit den Ehrentänzen, der Überreichung der Ehrengaben und einem stimmungsvollen Beieinandersein. Am Abend sorgten dann die Argeter Buam für Hochstimmung mit Tanz- und Unterhaltungsmusik.

 


Dies waren Festtage, die sich würdig in die Folgen großer Veranstaltungen einreihen und kennzeichnend waren für die hundertjährige Geschichte der "Wallberger".

 


Geschafft ist wohl der richtige Ausdruck, 255 Personen auf einem Bild, alle waren froh wie sie wieder von dem Gerüst waren, besonders unser 1. Vorstand, daß alles ohne Unfall abgelaufen ist hier und an den 4 Festtagen. Es hat einer die schützende Hand über uns aufgehalten.

 

Festschrift

100 Jahre "Die Wallberger"
1889 - 1989

hier nicht wiedergegebene Geschichten und auch Bilder befinden sich unter den jeweiligen Schaltflächen z.B. Vereinschronik, Wallbergkreuz, Vitruvia usw.

 

 

 

Grußwort des 1. Vorsitzenden der "Wallberger", Sepp Stadler

100 Jahre Wallberger. Das sind hundert Jahre Einsatz für Heimat, Tracht, Brauchtumund Tradition. Für uns ist es ein wichtiger Anlaß, zum Danken, zum Gedenken und zum Feiern. Danken vor allem unserem Herrgott, daß er schützend seine Hand über uns und unserer Heimat gehalten hat. Unser Dank gilt auch den Gründern des Vereins und allen, die sich in diesen hundert Jahren für unsere und Belange eingesetzt haben.

Gedenken wollen wir bei diesem Jubiäum unserer verstorbenen Mitglieder und Kameraden, die in zwei furchtbaren Kriegen ihr Leben lassen mußten und nun in fremder Erde ruhen.

Hundert "Wallberger"-Jahre sind aber auch ein Grund zum Feiern. Allein schon deshalb, weil dieser Traditionsverein junggeblieben ist. Immer wieder sind junge "Wallberger" nachgewachsen und haben bis in die jüngste Zeit den Verein mitgestaltet. Ihnen sei mein Wunsch ans Herz gelegt, entsprechend unserem Wahlspruch "den guten alten Brauch" auch im kommenden Jahrhundert zu pflegen, lebendig zu erhalten und an ihre Nachkommen weiterzugeben.

Zu unserer 100-Jahr-Feier gebrüße ich im Namen aller "Wallberger" die Trachtlerinnen und Trachtler aus nah und fern, die Vereine, alle Gäste und Einheimischen. Sie alle sind herzlich eingeladen, die Festtage mit uns zu feiern, mit offenem Herzen und frohem Sinn. So, wie es seit hundert Jahren bei uns der Brauch ist.

Sepp Stadler, 1. Vorsitzender

 

Grußwort von Bürgermeister Konrad Niedermaier, Schirmherr des 100jährigen Gründungsfestes

Die "Wallberger" - Verein zur Erhaltung der Volkstracht -, wie es in der Gründerurkunde heißt, feiern hundertjähriges Bestehen. Dies ist ein Anlaß der Freude und des Stolzes nicht nur für den Verein, sondern für die ganze Gemeinde, denn die "Wallberger" verkörpern ein gewichtiges Stück Ortsgeschichte. Sie haben in den vergangenen hundert Jahren wesentlich dazu beigetragen, daß Rottach-Egern auch im übertragenen Sinne "sein Gesicht" gewahrt hat. Als einer der ersten Vereine dieser Art im bayerischen Oberland haben ess sich die "Wallberger" zur Aufgabe gemacht, fast schon verlorengeglaubtes Volks- und Brauchtum wieder lebendig werden zu lassen. Die Gründer und ihre Nachfolger haben sich dabei nicht beschränkt, das Trachtengewand anzuziehen und den Schuhplattler zu üben, sondern auch ihr vielfältiges Wirken auf dem Gebiet der Heimatpflege und der Geselligkeit das alte gewachsene Brauchtum wieder unter die Menschen gebracht. Dies war und ist Kulturarbeit im besten Sinne, ohne daß darüber viel Aufhebens gemacht wurde.

Die Gemeinde Rottach-Egern und seine Bürger schulden allen, die im Laufe dieser hundert Jahre aktiv am Wallberger-Vereinsleben mitgewirkt haben, Dank. Für mich als Bürgermeister ist es eine Ehre, anläßlich der Hunderjahrfeier die Schirmherrschaft zu übernehmen.

Im Namen aller Bürger unserer Gemeinde und des Gemeinderats übermittle ich den "Wallbergern" die besten Wünsche für die Zukunft. Unsere gemeinsame Bitte: "Macht's weiter so!"

Konrad Niedermaier, 1. Bürgermeister

 

Grußwort von Landrat Norbert Kerkel

Zum 100. Gründungsfest des Trachtenvereins "Wallberger", Rottach-Egern, sage ich allen Trachtlerinnen und Trachtlern sowie Festgästen und Heimatfreunden aus nah und fern ein herzliches "Grüß Gott".

Es ist mir ein großes Anliegen, dem Jubilar, persönlich und nemens des Kreistages, die allerbesten Glückwünsche zu übermitteln und von ganzem Herzen für seinen unermüdlichen Einsatz zur Erhaltung von Tracht und Brauchtum zu danken. Unsere Trachtenvereine stellen ein bedeutendes Stück Kulturgeschichte des Miesbacher Oberlandes dar und sind gleichzeitig Garanten dafür, daß in unserem Land echtes, lebendiges Brauchtum mit Tanz, Musik, Lied, Laienspiel und Tracht erhalten bleibt. Um wieviel ärmer wäre unsere Heimat ohne unsere Trachtenvereine, die ein so wichtiges kulturelles Erbe bewahren und weitertragen. Im Landkreis Miesbach steht die Wiege der Trachtenbewegung. Dies ist für uns Verpflichtung und Auftrag zugleich, im Geiste unserer Vorfahren diese Tradition stets hochzuhalten. Das schlichte Bekenntnis zu ihrer Geschichte, zur Heimat und Kultur soll weiterhin ein wichtiges Ziel für unsere Trachtlerinnen und Trachtler sein.

In diesem Sinne wünsche ich dem Trachtenverein "Wallberger" ein gutes Gelingen der Jubiläumsfeier und gedeihliches Wirken für die Kukunft.

Norbert Kerkel, Landrat

 

Grußwort von Pfarrer Alfons Siegl

Der Volkstrachtenerhaltungsverein "Die Wallberger" versteht es, Menschen des Ortes zusammenzuführen, ihnen das Erlebnis der Gemeinschaft zu vermitteln und durch gemeinsames Handeln für den Ort tätig werden zu lassen. Dabei vertritt er Grundsätze, die der Gefahr einer heute häufig feststellbaren Richtungslosigkeit entgegensteuern. Die Pfarrei hat es so begrüßt, daß er auch bei Pfarrfamilienfeiern mitgewirkt hat; will doch die christliche Kirche Gemeinschaft und Zielvorstellungen unter den Menschen aufbauen. So beglückwünsche ich, auch im Namen des Pfarrgemeinderats und der Kirchenverwaltung, den Verein zu seinem 100jährigen Bestehen.

Hundert Jahre Wallberger heißt 100 Jahre Bemühen um die ganze Spannbreite der Gestaltung eines Vereinslebens, bei der die bewährten Erfahrungen der Vergangenheit ebenso wie die notwendigen Schritte in die Zukunft Beachtung finden. Und heißt auch bemühen um ein umfassedes Menschenbild, das den Menschen als Individuum und Gemeinschaftswesen, als Staatsbürger und Christen, als freiheitliche Person und einer Ordnung verpflichtetes Wesen sieht.

Unter der Führung von Josef Stadler, dem ein guter Blick für wichtige Erfordernisse des Vereinslebens gegeben ist, sind ide Wallberger ein Hort, in den persönliche Meinungen in den Rahmen einer Gemeinschaft eingeordnet werden. Ich wünsche Ihnen eine gute Zukunft, in welcher der gegenwärtigen Angst von Bindung und Überzeugung abgeholfen wird und in der Kinder, Jugendliche, Zeitlose und Senioren weiterhin zusammenfinden.

Alfon Siegl, Pfarrer

 

Grußwort der "Vitruvia"

Liebe Wallberger!
Wenn das Corps Vitruvia den "Wallbergern" zu ihrem 100. Stiftungsfest gratuliert, so ist dies eine Gratulation besonderer Art, denn immerhin verbindet uns eine 95jährige ungetrübte Freundschaft. Das besondere Jubläum gibt mir die Gelegenheit, im Namen aller Vitruven den Wallbergern für die vielen schönen, gemeinsam verbrachten Stunden zu danken. Für jeden Vitruven, vom mittlerweile 103 Jahre alten Corpsbruder Zschocke aus Kaiserslautern bis zum jüngsten Fuchs, der unser 125. Bundesfest im vergangenen Jahr erleben durfte, gehört der Tag am Tegernsee im Anschluß an unser Bundesfest zu den schönsten Erinnerungen aus der Studentenzeit. Die herzliche Aufnahme der Vitruven durch die Wallberger ist ein Phänomen, daß nur wenige außerhalb Bayern lebende Verbindungsstudenten verstehen können. Ich meine, daß nur im liberalen und gleichzeitig im besten Sinne konservativen Bayern eine solche Freundschaft denkbar ist. Nur hier am schönen Tegernsee, wo inmitten einer der schönsten Landschaften der Welt ein erfrischender und sympathischer Menschenschlag zu hause ist, wo Herzlichkeit und Gastfreundschaft wohnen und wo natürlicher Stolz auf gewachsene Traditionen vorhanden ist, ist so etwas möglich geworden. Die wechselseitige Sypathie von Wallbergern und Vitruven beruht letzten Endes auf einer gemeinsamen Grundeinstellung. Ihr versucht, gute altbairische Traditionen zu pflegen, wir versuchen das gleiche bei den studentischen Traditionen und Tugenden.

In zwei Weltkriegen haben Wallberger und Vitruven viele Mitglieder verloren, und ihre Namen sind in einer Tafel in der Kirche auf dem Wallberg verewigt. Die gemeinsame Trauer um die gefallenen Kameraden und Corpsbrüder rückt uns wieder zusammen.

Viele Vitruven sind bei Euch passive Mitglieder und tragen damit ideell und materiell zum Gelingen Eures Vereinslebens bei. Unserem lieben Wallbergern wünschen wir Vitruven eine glückliche Zukunft. Möge es Euch gelingen, die Traditionen Eures Heimatlandes weiter zu pflegen. Es sind Trsditionen, die von vielen außerhalb Bayerns belächelt, von manchen sogar verspottet werden, um die Euch die meisten aber insgeheim beneiden. Wir Vitruven schätzen uns glücklich, zu Euren Freunden gehören zu dürfen.

In diesem Sinne wünschen wir Euch nicht nur ein harmonisches 100. Stiftungsfest, sondern noch eine lange, glückliche, und hoffentlich auch gemeinsame Zukunft.

Eurer Prof. Dr. Heinrich Soffel, 1. Vorsitzender des Philistervereins Vitruvia
und mehr als 20 Jahre passives Mitglied bei den Wallbergern.

 

Der Festausschuß der "Wallberger

 


(von links nach rechts, stehend):
Simon Adlbert, Heinz Siefert, Georg Strohschneider, Anton Kefer, Hans Keil,
(sitzend): Hans Sollacher, Annamirl Wunschel, Konrad Niedermaier, Sepp Stadler, Karl Kölbl und Kajetan Liedschreiber.

begrüßt zum hundertjährigen Bestehen des Vereins alle Festbesucher, Freunde und Gäste. Es ist sein bestreben, zusammen mit allen anderen Aktiven und Helfern der "Wallberger" ein dem Anlaß gemäßes, schönes Fest durchzuführen, das dem hohen Traditionsanspruch dieses Vereins gerecht wird und an das alle Besucher sich gerne zurückerinnern. Ein besonders herzliches "Grüß Gott" entbieten wir unseren Trachtenkameraden, allen voran unseren Patenvereinen "Neureuther" - Gmund, "Schliersee-Stamm" 1888, "d'Hirschbergler" - Reitrain, den "Vitruven" und mit besonderer Freude unseren lieben "Wiener Wallbergern".

 

Ein Verein wird geboren

 

Manche Historiker vertreten die Auffassung, daß es in der Geschichte und in den Zeitabläufen so etwas wie einen Jahrhundert-Zyklus gibt. Auch die Wetterbeobachter glauben an ihren "Hundertjährigen Kalender". so sehr das auch alles in Frage gestellt werden mag, so ist doch ein Korn an Wahrheit darin enthalten.

Zurückschauend in die 80er und 90 Jahre des vorigen Jahrhunderts sind Parallelen nicht von der Hand zu weisen. Der Krieg 1870/71 gehörte der Vergangenheit an, das zweite Deutsche Reich stand fest gegründet, Bayern darin ein selbstbewußtes und eigenständiges Königreich. Friede und ein bescheidener Wohlstand breitete sich über das Land. Am Tegernsee erwartete man den Bau der Eisenbahn von Holzkirchen her, hoffte auf das elektrische Licht und erfreute sich an den steigenden Zahlen der Kurgäste, die Geld und Leben in die Orte brachten. Die "industrielle Revolution", wie sie im Nachhinein genannt wurde, war im vollen Gange. Aber sie spielte sich irgendwo an Rhein und Ruhr ab.

Die Menschen fanden Zeit und Muße, sich ihrer Traditionen zu besinnen, sich zu ihrer landsmannschaftlichen Eigenständigkeit zu bekennen. Man war guter deutscher Patriot, vor allem aber ein königstreuer Bayer. Die wiedergefundene Heimatliebe und das offen gezeigte Bekenntnis zur eigenen Art war wohl ein entscheidender Faktor für das Entstehen der oberbayerischen Volkstrachtenbewegung. Was damals belächelt, verspottet, von den Kirchentüren verwiesen wurde, gilt hundert Jahre danach als "bayerisches Markenzeichen", steht für bayerische Lebensart.

Die Entwicklung ist noch nicht zu Ende. Bayern steht in vielen Bereichen mittlerweile für Bundesdeutschland, wenn es gilt, in fernen Ländern den Begriff "deutsch" zu vermitteln.

Wie sich die Bilder gleichen. Wieder leben die Menschen in Mitteleuropa seit Jahrzehnten in einer Periode ohne kriegerische Auseinandersetzungen, in einer Zeit des Wohlstandes und an der Schwelle einer neuen Revolution, die uns die Elektroniker, die Physiker und wohl auch die Chemiker bescheren. Wiederum steht ein starkes, selbstbewußtes Bayern im deutschen Bundesstaat und wiederum erkennen zumindest die bodenständig gebliebenen Menschen, daß Heimat und Brauchtum keine Leerformeln sind. Die Gleichmacherei der Medien, des gesteuerten Freizeitverhaltens, der nivellierten Lebensgewohnheiten steht die Bewahrung gewachsener Werte, die Pflege von Tradition und Brauchtum, kurum die altbayerisch-konservative Lebensart gegenüber.

Die "Trachtler" von heute sind keine hinterwäldlerischen Eigenbrötler, keine Tourismus-Staffage und auch keine künstlich am Leben gehaltenen Relikte aus früheren Zeiten. Die "Wallberger" sind in ihrem hundertsten Lebensjahr so lebendig wie in der Gründerzeit. Sie haben keine Nachwuchssorgen und keine oder keiner denkt sich was dabei, die Tracht im Wechsel mit den Tennisshorts zu tragen, vom EDV-Gerät weg zur Plattlerprobe zu fahren, nach der Fronleichnamsprozession das Kirchengewand mit der Drachenflieger- oder Taucherausrüstung zu tauschen. Und es gibt Top-Manager, die sich auf der Gangway des Flughafens von Tokio der Vorfreude hingeben, anderntags in der "Kurzen" beim Trachtenfest der "Wallberger" (oder der Hirschbergler, der Leonhardstoana oder Neureuther) einen Landler zu drehen.

Dies ist für den "modernen Menschen" von heute ebenso wenig eine Marotte, wie es vor fast hundert Jahren für die Bankiers aus Moskau und Berlin, für die Fabrikanten aus Hamburg, Nürnberg oder Wien ein Spleen war, ihren Sommeraufenthalt am Tegernsee oder in Wildbad Kreuth mit dem Beitritt zu den "Wallbergern" zu verbinden und mit ihnen zu feiern. Königliche Hoheiten, Fürsten und Grafen gingen damals schon in der Tracht und die bayerische Mundart wurde wieder hoffähig. nicht weil es eine vorübergehende Modeerscheinung war, sondern weil die Nachdenklichen und Sensiblen, die Hochgestellten und Weitgereisten, die Reichen und Einflußreichen damals auch schon gespürt haben mögen, was ihresgleichen heutzutage wissen oder nur fühlen: je schnellebiger die Zeit, desto wichtiger ist es, sich zu besinnen. Sich zu besinnen vor allem der gewachsenen Traditionen, "dem guten alten Brauch".

 


Königliche Hoheiten, adelige Herrschaften

Zwischen dem königlichen und später herzoglichen Schloß Tegernsee und dem herzoglichen Wildbad Kreuth gelegen, war der malerische Egerner Winkel für viele hochgestellte Herrschaften des Adels und des Geldadels, der Wissenschaft und Kunst, der ideale Platz als Sommerfrische oder als zweiter Wohnsitz. Hier "rührte sich immer was", man traf interessante Leute aus aller Welt, bahnte Geschäfte und standesgemäße Ehen an. Mitbegründer und Ehrenpräsident Graf Nikolaus von Luxburf aus Speyer, der am Schwaighof eine schöne Villa erbaute, mag wohl der Wegbereiter dafür gewesen sein, daß die "Wallberger" bereits zwei Jahre nach der Gründung eien respektable Liste von Ehrenmitgliedern vorweisen konnten.

Über ihre verwandschaftlichen und sonstigen Beziehungen zueinander, die alle mit den Häusern Wittelsbach und Habsburg zusammenhängen, ließe sich eine höchst interessante Abhandlung schreiben. Begnügen wir uns hier mit den"Majestäten, dem König und der Königin von Neapel" und dem Grafen Georg von Larisch.

Die "Königin von Neapel" - wie sie im Volksmund vereinfachend genannt wurde, kam als Marie Sophie Amalie in Bayern im Jahre 1841 alt Tochter des Herzogs Maximilian in Bayern und dessen Gattin, Prinzessin Ludowika Wilhelmine (Tochter von König Max I. Joseph) zur Welt. Sie war das sechste von acht Kindern und eine Schwester der späteren Kaiserin Elisabeth "Sisi" von Österreich. Mit 18 Jahren wurde sie - ohne daß sie ihn vorher gesehen hatte - mit dem Kronprinzen Franz beider Sizilien verheiratet, der wenige Monate darauf "König beider Sizilien" wurde und in Neapel residierte. Daher "König von Neapel". Anderthalb Jahre später mußte das Königspaar vor den anrückenden Truppen von Garibaldi flüchten. Bei der Verteidigung ihres Königreiches hatte die Königin selbst so tapfer eingegriffen, daß sie als "Heldin von Gaeta" in die Geschichtsbücher einging. Bis zur bitteren Kapitulation feuerte sie auf den Wällen der Festung von GAeta die Verteidiger zum Widerstand an (s. "Die Wittelsbacher" - Geschichte unserer Familie von Adalbert Prinz von Bayern, Prestel-Verlag München). Es half nichts, die junge bayerische Herzogstochter verlor ihr Königreich, kaum daß sie Königin wurde. Es ging im heutigen Italien auf.

Wenn man von Wildbad Kreuth über Siebenhütten zur Wolfsschlucht geht, kommt man auf den Almboden der Oberhofer Weißachalm. Oberhalb der Alm steht die "Königshütte". Sie hat ihren namen von der "Königin von Neapel" und ihrem Gemahl, die oft und gerne dort verweilten, lange bis in den Herbst hinein, wie es in einem Huldigungsgedicht nachzulesen ist, niedergeschrieben in der Chronik der "Wallberger".

Als Ehrenmitglied wird auch Graf Georg von Larisch aufgeführt. Er kam zu dieser Ehre wohl über seine Frau, eine Tochter aus der nicht standesgemäßen Verbindung des älteren Bruders der "Königin von Neapel", des Herzog Ludwig Wilhelm in Bayern mit einer Schauspielerin. Somit also Nichte der Königin und ebenso eine Nichte von Kaiserin "Sis". Letztere nahm sich der "kleinen Baronesse" besonders an, machte sie zu ihrer Hofdame am Wiener Hof und verheiratete sie mit dem reichen böhmisch-schlesischen Grafen Larisch. Die im Sommer am Tegernsee und Bad Kreuth reichlich vertretene Wittelbach-Habsburgische Verwandtschaft mit dem ganzen höfisch-gesellschaftlichen Drumherum ließ es der listenreichen Gräfin geraten erscheinen, sich hier niederzulassen. sie war später in Wien in Ungnade gefallen. Man warf ihr vor, in der berühmten "Affaire Mayerling" (gemeinsamer Tod des Thronfolgers Rudolf von Habsburg mit seiner Geliebten auf Schloß Mayerling bei Wien) im Jahre 1889 eine undurchsichtige Rolle gespielt zu haben. Jedenfalls fühlte sie sich in Bayern sicherer und kaufte sich von Korbinian Enterrottacher ein haus an der Hauptstraße, dem sie den Namen "Villa Valerie" gab. Es ist das heutige Rathaus. Zu dieser Zeit war sie nur noch nominell mit dem Grafen verheiratet und bereits mit dem Kammersänger Otto Brucks liiert. Nach ihrer Scheidung heiratete sie Brucks und bezog mit ihm das Schloß"Wotansquell" (auch unter dem Namen "Brucks-Schlößl" oder "Rotes Haus" bekannt) am Riederstein-Weg. Das Ehepaar lebte sehr aufwendig, feierte Feste und gab große Einladungen. Die Geldmittel hierfür beschaffte sie sich dadurch, daß sie das Haus Habsburg nach und nach um eine Million Goldmark erleichterte. Sie war als einstige Vertraute der Kaiserin im Besitz von Briefen und Gedichten Elisabeths, die der alte Kaiser Franz Joseph nicht an die Öffentlichkeit gelangen lassen wollte.

Die bayerische Herzogstochter Marie-Louise, Gräfin Larisch-Wallersee, Frau Brucks (später noch mit einem Amerikaner verheiratet), starn völlig verarmt und einsam 1940 in einem Augsburger Altenheim.

 

Der Vereinsgründer Carl Reinhard

Er kam am 13. März 1860 als Sohn der kaufmannseheleute Max und Juli Reinhard zur Welt. Seine Eltern betrieben das seit 1824 im Meßnergütl in Egern bestehende "Gemischtwarengeschäft". Er war dazu ausersehen, das Geschäft einmal weiterzuführen und wurde - wie es damals der Brauch war - auf die Wanderschaft geschickt. Den größten Teil seiner Lehr- und Wanderjahre verbrachte Carl Reinhard in Wien und Prag und kam als versierter Kaufmann nach Egern zurück. Mitgebracht hatte er auch aus der Fremde aberauch die Aufgeschlossenheit für die Neuerungen der Zeit und eine gefestigte Liebe zu seiner Heimat am Tegernsee. Voller Tatendrang gründete er mit Gleichgesinnten den Verkehrs- und Verschönerungsverein (1887) und zwei Jahre später die "Wallberger", deren 1. Vorsitzender er zehn Jahre lang blieb.

Beim 40. Stiftungsfest 1929 verlieh ihm der Verein den Titel eines Ehrenvorsitzenden. Reinhard war auch sportlich aktiv. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Turnvereins Tegernsee, war ein erfolgreicher Eisläufer und einer der ersten Radfahrer im ganzen Gäu. Zweimal rettete er Menschen vor dem Ertrinken im See. Er heiratete 1894 und war Vater von zwei Söhnen und drei Töchtern. Der älteste Bub starb an den Folgen einer Gasvergiftung im Ersten Weltkrieg.

Carl Reinhard starb am 22. August 1940 im Alter von 80 Jahren. Zu seiner Beerdigung kamen Hunderte von Trauergästen, darunter viele bekannte Persönlichkeiten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens, der Kunst und der Wissenschaften.

 

Carl Reinhard tritt zurück

"Im Monat September erklärte der erste Vorstand Herr Reinhard seinen Austritt aus dem Verein und legte zugleich seine Stelle nieder." - So steht es lapidar im Protokoll des Jahres 1901. Irgendwer hat dann die Worte "erklärt seinen Austritt aus dem Verein" mit Bleistift durchgestrichen. Diese Bleistift-Korrektur wurde durch die späteren Ereignisse bestätigt.

Unter Leitung des 2. Vorstands Jakob Grieblinger wurde am 8. Mai 1902 die Neuwahl des 1. Vorsitzenden durchgeführt. 38 Stimmen fielen auf den Gerbermeister Fidel Reiffenstuel, 30 Stimmen auf den Forografen Emil Ganghofer, einen Bruder des Dichters Ludwig Ganghofer. Keiner der beiden Kandidaten war bei der Versammlung anwesend und erst bei der Ausschußsitzung zwei Tage später erklärte sich Fidel Reiffenstuel nach viel gutem Zureden bereit, den Posten doch zu übernehmen.

Um die Jahrhundertwende mußte sich in Tegernsee ein eigener Volkstrachtenverein gebildet haben. Der Ausschuß der "Wallberger" beschloß jedenfall am 7. August 1901, daß "Herren, welche muthmaßlich Mitglieder des Trachtenvereins Tegernsee sind", nicht bei den Wallbergern aufgenommen werden können, "solange diesselben Aufführungen gegen bezahlten Eintritt geben, oder veranstalten." Offenbar widersprach es dem Selbstverständnis der "Wallberger", sich so quasi als "Saisonplattler" gegen Geld vor den Fremden zu produzieren. Oder war da so etwas wie Konkurrenzdenken mit dabei?

Um diese Zeit musizierte die neu gegründete Kapelle "Jung Rottach" mit steigendem Erfolg bei den "Wallberger"-Veranstaltungen, die sich größter Beliebtheit erfreuen.

Sie finden reihum in den Gasthöfen Schwaighof, Tuften, Hahn (Pfatischer), Kalkofen, Enterrottach, Glasl, Weißach, Kreuth (Raineralm und Lehmann), im Sapplkeller von Abwinkl, im Steinmetz und am Pflieglhof in Tegernsee, ja sogar auf dem Wallberg- und Hiorschberghaus statt. Die Winterzusammenkünfte verteilten sich auf die Rottacher und Egerner Gasthöfe "Scheurer" (Post), "Plendl" (Lindl), "Bartmä" und "Überfahrt", später auch noch die "Seerose" (Kefer).

1902 findet im Übrigen auch das erste "Wallberger"-Preisrodeln vom Wallberg statt, das zur festen Einrichtung wird.

Im August 1902 hat es in der Vorstandschaft schon wieder "gescheppert". Der erste und der zweite Vorstand gerieten verbal aneinander. Der "Vize" trat am Ende beleidigt zurück und der 1. Vorstand gar aus dem Verein aus. Hier ein Protokollauszug:

Um die ohnehin schon ziemlich sauer gewordenen Geschichte nicht noch saurer zu machen, beschloß der übrige Ausschuß, von einer außerordentlichen Generalversammlung abzusehen, und die Sache bis zur nächsten ordentlichen Generalversammlung zu belassen.
Auf eindringliches Zureden der Vorstandsmitglieder wurde wenigstens Herr Grieblinger aus der Affaire gerettet, Herrn Reiffenstuel mußte man aufgeben. Da derselbe die Angelegenheit schon durch das Blatt veröffentlichte, sonst würde man auch noch einen Anker ausgeworfen haben. R. I. P.

Sie waren halt auch nur Menschen aus Fleisch und Blut, unsere Groß- und Urgroßväter. Der Schriftführer, der sein "Ruhe in Frieden" etwas sarkastisch hinter den Schlußsatz gemalt hatte, wurde übrigens im mai 1903 selber zum 1. Vorstand gewählt. Es wa Andreas Popp. Dessen Schriftführerposten übernahm Emil Ganghofer.

Im 20. Vereinsjahr 1908/09 kommen 84 Mitglieder zur Hauptversammlung. Der Schriftführer bezeichnet das als erfreuliches Zeichen, das wiederum beweist, "daß trotz einiger Schädlinge noch eine Anhänglichkeit und Liebe zum Verein seitens seine Mitglieder zutage tritt." - Drei Monate vorher, am 28. Mai 1908 wurde mitten im "Wallberger"-Gäu mit den "Hirschberglern" in Reitrain ein eigener Trachtenverein gegründet und in Kreuth zeigten sich ebenso Selbständigkeitsbestrebungen wie in Wiessee. Die "Wallberger" - von Gmund abgesehen - einziger Verein dieser Art mit über 500 Mitgliedern hatte Konkurrenz bekommen. Vielleicht sind manch einfachem Burschen die "Wallberger" zu vornehm und die Bälle in der "Überfahrt" zu teuer geworden, bei denen berühmte Opernsänger und adelige Komtesserl den Mittelpunkt bildeten.

1910 übernimmt Ludwig Uhlschmied für den beruflich verhinderten Emil Ganghofer das Schriftführeramt. Er betreibt in Rottach eine Buchdruckerei und gibt das Rottacher Wochenblatt "Alpenbote" heraus

1911 zählt der Verein 402 ordentliche, 296 außerordentliche und 15 Ehrenmitglieder, zusammen also 613, so viel wie nie zuvor.

Mit den "Hirschberglern" gab es keine Probleme. Ja man beteiligte sich sogar ganz offiziell an deren Gaufest im Jahre 1912.


In Oberach die Lederhosen ausgeliehen

Was der Gründung der "Wallberger" vorausging

Wie in manchen anderen Bereichen der Ortsgeschichte hinterließen die Oberacher ("von Oberach auch noch") auch in der Trachten- und Brauchtumspflege im Tegernseer Tal ihre Spuren. Rottach-Egern und die "Wallberger" haben den alten Oberachern dafür zu danken, daß sie ihre Lederhosen, die schon ganz aus der Mode gekommen waren, zumindest aufgehoben haben.

Doch der Reihe nach: Zur Vorbereitung auf das 40. Gründungsfest mit Fahnenweihe fand am 23. Dezember 1928 im Gasthof Seerose eine außerordentliche Generalversammlung statt. Dazu eingeladen hatte Vorstand Peter Schiffmann, Schriftführer war Roman Führmann. Dieser hat - mit dem richtigen Gespür des Chronisten - niedergeschrieben, was bei dieser Versammlung das Gründungs- und Ehrenmitglied Jakob Grieblinger den "jungen Tutterern" zu sagen hatte. Er legte ihnen zuerst einmal ans Herz, auch die alte Fahne in Ehren zu halten und erzählte dann, wie der Verein eigentlich zustande kam:

Zudem in Enterrottach stattfindendem Scheibenschießen gingen einige Burschen hin und zwar auf Verabredung in kurzer Hose, die ja schon ganz selten war, was schon dadurch bezeugt wurde das sie zum Ausleihen der kurzen Hose nach Oberach gehen mußten, denn im Dorfe (Egern und Rottach) waren nicht soviel aufzutreiben. Und so kam es, daß sich diese entschlossen einen Kurzhosenverein zu gründen. Wo sich dann auch am 24. März 1889 im Gasthof Bachmair Egern verschiedene Herren versammelten ...

 

Die "Wallberger" - ein "wilder Verein"

Kein Beitritt zum Gauverband

Einem der besten Kenner der Trachtenbewegung im bayerischen Oberland, dem Miesbacher Studiendirektor und Heimatkundler Dr. Gerhard Maier gebührt der Verdienst, durch vergleichendes Studium der verschiedenen Vereinsaufzeichnungen mit den Unterlagen des Gauverbandes die Hintergründe aufgehellt zu haben, die vor bald hundert Jahren dazu führten, daß sich die WWallberger" nicht dem Gauverband anschlossen. Die weitaus meisten aller Vereine mit dieser gleichen Zielsetzung haben sich in 17 Gauverbänden zusammengeschlossen.

Dr. Gerhard Maier hat sein Einverständnis gegeben, daß an dieser Stelle auszugsweise aus seinem 1986 erschienenen Buch "127 Jahre Trachtenbewegung - 100 Jahre Trachtenverein Miesbach" zitiert werden darf:

"So wie die weltweite Trachtenbewegung ihren Ausgangspunkt im Miesbacher Oberland nimmt, so erfolgte auch der Zusammenschluß zu einer Dachorganisation zuerst im Gebirgsraum. Das erste Zusammensein von Trachtenvereinen findet in Bayrischzell statt, und zwar beim Ball des dortigen Vereins am 29. April 1888.

Der für 1889 geplante Ball des "Gebirgstracht-Erhaltungsvereins Bayrischzell" - so nennt sich der Verein um diese Zeit - fällt wegen Ablebens der Königinmutter aus, aber am 4. Mai 1890 trifft sich wieder eine lustige Trachtlerschar in Bayrischzell, und zwar die Vereine Miesbach, Schliersee, Pnzenau, Fischbachau, Litzldorf und Bayrischzell, sowie viele geladene Gäste aus Miesbach.

Diese lockere Form der Zusammenarbeit genügt bald nicht mehr, und so lädt der 1889 gegründete Rosenheimer Verein "Stamm" für Sonntag, 1. Juni 1890, zum "Central-Fest der Oberbayer. Gebirgstracht- und Schuhplattler-Vereine" ein. Das ist das Gründungsdatum für den ersten Dachverband, denn "das Centralfest ... war eine Vereinigung sämmtlicher Schwestervereine sammt Bezirksorten, so aus Aschau, Bayrisch-Zell (Zeller Landl), Egern (Tegernsee), Feilenbach, >Litzldorg (Aibling), Rottach und Wiechs... Die aus 14-15 verschiedenen Orten erschienenen Theilnehmer des Festes vereinten sich in bezeichnend kurzer Sitzung zu einem Gauverband zur Erhaltung der oberbayerischen Volkstracht mit Abhaltung eines Jahrtages in jeweilig verändertem Orte. Der erste Gautag wird nächstjährig in Egern (Tegernsee) abgehalten und wurde Kaufmann Reinhard - Egern zum Gauvorstand gewählt ... (Zeitung "Der Wendelstein", 5. Juni 1890).

Aus dem Miesbacher Gebiet sind neben den Bayrischzellern und Rottach-Egerern auch die Miesbacher, Haushamer und Fischbachauer Trachtler vertreten. Von den zwölf Gründungsvereinen des damaligen ersten Gauverbandes, der später den Namen "Gau I" annimmt, stammen acht aus dem Gebiet des Bezirksamtes Miesbach (wovon fünf namentlich von mir erforscht werden konnten).

Die "Wallberger" nehmen die Einladung "zu einer Zusammenkunft oberbayerischer Volkstrachtenerhaltungsvereine" in Rosenheim an. "Es fuhren mit dem Frühzug des 1. Juni (1890) 6 Herren und 2 Mädchen nach Rosenheim und wurden selbe dort mit Musik empfangen und in die Stadt geleitet. Neben gesellschaftlicher Unterhaltung war der Zweck des Tages begründet in Besprechung einer Gauverbandschaffunf und der Wahl der Führung dieses Verbandes. Herr Carl Reinhard vertrat die Ansicht, daß dem lang bestehenden Bayrischzeller Verein dieses Amt und die Abhaltung der nächstjährigen Zusammenkunft gebühre, wurde jedoch überstimmt und mußte solches für die Wallberger vorbehaltlich der Ausschußgenehmigung unseres Vereins annehmen... Herr Carl Reinhard nahm die Gelegenheit wahr, die Vertreter der verschiedenen Vereine zu ersuchen, dem Fremdwörterunfug durch möglichste Befleißigung deutscher Ausdrucksweise im Vereinleben und Verkehr zu steuern" schreibt der "Wallberger"-Schriftführer im Protokollbuch.

"Der Vorschlag, Egern als Ort der Zusammenkunft für 1891 und die Wahl der Gauverbandsführung gelten zu lassen, sowie den Grund zum Verbandssäckel mit Mk 20.- zu legen, wird angenommen", beschließt der "Wallberger"-Ausschuß noch im Juni 1890.

Bereits am 8. Juli 1890 wird dem "Wallberger"-Ausschuß das Gründungsprotokoll für den Gauverband vorgelegt, und zudem wird ein Begrüßungsschreiben des Rosenheimer Vereins verlesen, der für "den Verbandssäckel" Mk 10.- gesandt hat.

Allerdings hält sich der neugegründete, im Grunde genommen noch recht lose zusammengefügte Gau nicht an die Abmachung, das Gaufest 1891 in Egern abzuhalten, sondern es wird in Feilbach durchgeführt. Aus dem "Wallberger"-Protokollbuch ist nicht ersichtlich, warum diese Änderung vorgenommen wird. Die meisten Gauvereine haben ihren Sitz rund um den Wendelstein, und Egern mag für sie zu weit entfernt gwesen sein.

Jedenfalls besuchen die "Wallberger" das Feilnbacher Gaufest am 26. Juli 1891 mit 9 Männern (7 mit der Kutsche, 2 "per Maschine") und tanzen dort als erste Gruppe den Schuhplattler. Bei der Besprechung der Vereinsvertreter am Nachmittag "wurde u.A. beschlossen, von jedem Mitglied der dem Gauverband angehörenden Vereine 10 M pro Jahr als Beitrag für die Gauverbandskasse zu erheben. Die Abgeordneten der WAllberger, Holl und Reinhard, traten diesem Beschlusse nur bedingt bei" (Protokollbuch).

Wegen des Beitrages treten die "Wallberger" noch im Herbst 1891 aus dem Gauverband aus, denn "von der Vorstandschaft des Gauverbandes in Feilenbach liefen zwei Briefe ein, welche durch ihre brüke Schreibart das Mißfallen des ganzen Ausschusses erregten. Es handelt sich um die Bezahlung eines Jahresbeitrages von 10 M pro Mitglied an die Gauverbandskasse und hatten s.Z. auf der Gauversammlung in Feilenbach unsere Vertreter diese Forderung nur unter der Bedingung zugestanden, daß der Gesamtausschuß unseres Vereines diesen Beitrag billige. Nachdem dies nicht der Fall war, schrieben wir an die Gauverbandsleitung, daß wir evtl. M 10.- in Pausch zu zahlen gewillt seien, worauf wir einen nicht weniger als höflichen Brief empfingen, was den einstimmigen Beschluß der Vorstandschaft veranlaßte, aus dem Gauverband auszutreten."

Als die "Wallberger" 1893 zum Jahresfeste des Gauverbandes" vom Bruderverein Aibling eingeladen werden, lehnen sie ab, da sie ihren Austritt aus dem Gauverband erklärt haben. Sie werden 1894 dannvom "Gauverband der Volkstracht-Vereine" zum Wiedereintritt eingeladen, aber "die Sache blieb unbeschlossen", und als 1900die Miesbacher die zum Gaufest einladen, beschließt der Ausschuß: "Da nach Ausschußbeschluß von jeweiligen offiziellen Betheiligungen an Gaufesten abgesehen wurde, mußte auch hier abschlägig beschieden werden."

Sie scheiden also die "Wallberger" ein führender Trachtenverein, der den ersten Gauvorstand des heutigen Gaues I stellt, wegen Nichtigkeiten aus dem Gau aus."

Was bei den heutigen "Wallbergern" niemand mehr wußte und was nirgendwo festgehalten ist, ist die Tatsache, daß Carl Reinhard und damit ausgerechnet ein "Wallberger" erster Vorstand des Gauverbandes Oberland gewesen ist.

Der etwas dürftig begründete Nichtbeitritt der "Wallberger" zum Gauverband (die zwei Schreiben, die "Gauumlage" zu zahlen, sind nicht verletzend) mag bei den übrigen Vereinen das Vorurteil gegenüber den "Wallbergern" genährt haben, daß sich hier ein "hochgestochener Verein mit viel Adeligen und Geldigen aus aller Welt gebildet hat, der mit den übrigen Vereinen, die sich überwiegend aus der ländlichen Bevölkerung, Arbeitern und Bergleuten rekrutierten, nichts am Hut hat.